#60 Kosten, des Sparers rotes Tuch

Die Kostenquote eines Finanzprodukts interessiert Deutsche besonders. Leider missverstehen sie diese oft. Andreas klärt auf.

Warum bei Finanzprodukten jede Kostenlogik aussetzt

Reden wir heute über ein Thema, das niemandem Spaß macht, aber vor allem Deutsche interessiert: Kosten, des Sparers rotes Tuch – Warum bei Finanzprodukten jede Kostenlogik aussetzt.

 

Deutschland ist das Land der Sparer. Und: Deutschland hat die mit höchsten Steuern und Energiekosten der Welt. Meine These ist, dass diese beiden Tatsachen viel miteinander zu tun haben. Deutsche horten Billionen von Euro auf Sparguthaben nicht nur mangels finanzieller Bildung; sie horten auch, weil sie Angst haben, irgendwelche Kosten nicht bezahlen zu können – Kosten wohlgemerkt, von denen sie noch gar nicht wissen, ob die je auf sie zukommen oder nicht. Man weiß ja nie und wappnet sich mal lieber für das Schlimmste. Und das Schlimmste kommt dann natürlich auch, sonst wäre ja alle Sorge umsonst gewesen. Was wir derzeit erleben, ist für viele das Schlimmste:

Denn uns plagt ja nun seit Jahren eine inflationäre Finanzpolitik und seit drei Jahren kommen auch noch handfeste Krisen dazu. Besonders jetzt tun die teils brutalen Preissteigerungen im Supermarkt weh, an der Tankstelle und schlicht überall. Sie werden also wahr, die Befürchtungen der German Angst – der German Angst, die im Ausland – und nicht nur im englischsprechenden – zur anerkannten Wortwendung geworden ist. Angst ist ein Produkt geworden made in Germany. Und wenn wir was machen, dann richtig. Das gilt natürlich auch fürs Ängstigen.

Aber eins beobachte ich bei meinen Landsleuten nach wie vor, und das trotz der Monat für Monat anziehenden Preise: Die Deutschen lieben Qualität. Im Grundsatz ist sich der Einzelhandel einig: Wenn einem Deutschen etwas wichtig ist, dann ist er auch bereit, für hohe Qualität auch höhere Preise in Kauf zu nehmen. Denn für irgendwas muss das Sparen ja gut gewesen sein. Und kein Deutscher mit Qualitätsbewusstsein würde annehmen, dass er in Billigheimer-Läden wie TK Maxx oder H&M langlebige, hochwertige Klamotten bekommt.

Wenn es aber um eine besondere Produktklasse geht, setzt das logische Denken erstaunlich gerne aus. Würden besagte Kaufhausketten Finanzprodukte anbieten, würden sie reißenden Absatz finden. Denn ein billiges Finanzprodukt, also eines mit niedrigen oder mit am besten gar keinen Kosten, – und die gibt es ja –, so ein Finanzprodukt schafft Vermögen. Weil ich ja so wenig dafür zahlen muss, so der Gedanke. Schwer zu glauben, aber die andere Seite der Gleichung wird dabei ausgeblendet, dass nämlich so ein Billigheimer womöglich keine Rendite produziert und das Geld riskant angelegt ist. Denn würde jemand drauf auspassen, müsste der ja bezahlt werden, und das würde Kosten verursachen. Anders jedenfalls lässt sich nicht begründen, warum Milliarden in Billigprodukte fließen, die nachweislich keine oder nur mickrige Renditen liefern und nicht einmal das Kapital selbst schützen.

Vielleicht liegt ja auch hier ein Mangel an Wissen vor. Und dem will ich mit dem heutigen Blitzlicht entgegentreten. Dabei werde ich der Komplexität des Themas ganz sicher nicht gerecht, das überlasse ich Finanzmathematikern und Wirtschaftsprüfern. Mir geht es eher um Hinweise, die einem Investoren helfen sollen, das Gute vom Schlechten zu unterscheiden und den Respekt vor hohen Kosten zu verlieren, so, wie er schon zu einem früheren Zeitpunkt hoffentlich den Respekt vor hohen Renditen verloren hat.

Kostenhinweis Nr. 1:

Der ertönte schon häufiger, seitdem ich über Finanzwissen plaudere; und bis heute erscheint er mir erwähnenswert, obwohl dieser Hinweis eigentlich banal ist. Für die Renditeorientierten klingt Kostenhinweis Nr. 1 so:

Du bekommst nirgends einen Porsche zum Preis eines Fiat Panda. In der Finanzwelt schon gar nicht. Wenn du die Rendite eines Porsche willst, zahle auch den Preis, den ein Porsche kostet.

Für die Sicherheitsorientierten will ich Kostenhinweis Nr. 1 etwas anpassen:

Du bekommst nirgends einen Rolls Royce zum Preis eines VW Käfer. In der Finanzwelt schon gar nicht. Wenn du die Sicherheit eines Rolls Royce willst, zahle auch den Preis, den ein Rolls Royce kostet.

Damit will ich vor allem den Fokus verschieben – weg von der Sparermentalität hin zum ursprünglichen Ziel, das ein Investor verfolgt: Und das besteht in Finanzdingen immer aus Vermögensaufbau oder Vermögenssicherung. Zumindest jenseits der Börse gilt: Wenn beides erfolgreich sein soll, wofür erfahrene Managements mit ihrem tadellosen Ruf geradestehen, dann kostet das Geld. Dieses Mehr an Geld ist kein Garant, aber es erhöht stark die Wahrscheinlichkeit, dass du dann auch das Ergebnis bekommst, das du dir wünschst.

Und das ganz und gar Tolle bei Investitionen ist ja: Am Ende bekommst du das Ergebnis, das du dir gewünscht hast, ohne überhaupt Geld dafür bezahlt zu haben! Du hast jemandem nur für eine gewisse Zeit Geld anvertraut und bekommst dafür mehr Geld zurück, als du vorher investiert hast.
Das leitet unmittelbar über zum Kostenhinweis Nr. 2, der den ersten ergänzen soll:

Kostenhinweis Nr. 2:

Konzentriere dich auf das Ergebnis und verzettele dich nicht mit Kleinkram.

Emittenten müssen zu ihrem Produkt immer eine komplizierte Kostenprognose ausweisen, in der man sich leicht verirren kann. Dabei wird dann vergessen, dass es doch eigentlich auf das Ergebnis ankommt in Form einer Prozentzahl, die die Rentabilitätsprognose benennt. Das sind dann oft Basisszenarien in drei Varianten: Mögliche Rendite nach Laufzeit, wenn es schlecht lief. Rendite nach Laufzeit, wenn es normal lief. Rendite, wenn es gut lief. Ich empfehle den Vorsichtigen die Renditeprognose zu nehmen, die zwischen schlecht und normal liegt. Wenn man mit der noch einverstanden sein kann und der Emittent auch sonst in allen wichtigen Kategorien gut abschneidet, die zu prüfen ich empfehle, dann kann man einsteigen.

Angenommen, das würde ein Ergebnis von 140 % bedeuten. Das heißt dann, dass du dein Geld zurückbekommst – das sind die 100 % – und 40 % Rendite obendrauf. Diese Angabe gilt immer vor Steuern, aber Achtung: die gilt auch immer nach Kosten! Wenn das Basisszenario also angibt, es sind 140 % drin, wenn es schlecht bis normal läuft, dann kann es dir völlig egal sein, ob das Produkt 5 % zu Beginn und 0,3 % jährliche Managementgebühr gekostet hat oder 35 % zu Beginn und 4 % pro Jahr Abzug hatte. Du bekommst am Ende einfach 140 % nach Kosten!

Denn ein guter Emittent spielt seine eigenen Kosten ein, und das in so kurzer Zeit wie möglich, was über die sog. Investmentratio und den Nettoinventarwert mit seiner J-Curve, wie ich sie im Finanzseminar zeige, leicht abgelesen werden kann.
Wenn ein Emittent oft genug bewiesen hat, dass er es kann – warum soll ich mich dann ärgern, wenn er sich gut dafür bezahlen lässt? Ein Porschekäufer ärgert sich auch nicht über den hohen Preis, denn er weiß, was er dafür bekommt. Meiner Erfahrung nach verpeilen viele Anleger hier die Verhältnisse:

Zuerst denken sie mal, die Kosten würden in Gänze von ihrem investierten Geld abgezogen und nur mit dem Rest könnte gearbeitet werden. Das sieht dann vor allem bei Ratensparverträgen erstmal fatal aus: Wenn da 35.000 € Zeichnungssumme stehen bei knapp 10.000 € kumulierte Kosten in den ersten 5 Jahren, die immer die teuersten sind, dann denken sie, knapp ein Drittel meines Geldes ist weg. Dabei sind es nur viel geringeren Initial- oder Weichkosten.

Und dann denken sie, sie sollten eigentlich fast alles vom Gewinn bekommen. Wenn das Management also 180 % erwirtschaftet, und das mit meinem Geld, dann sollten mir die 80 % doch zustehen, oder wenigstens fast – und ich vergesse, dass ich zu Beginn mit 140 % einverstanden war. Und ja, wenn es über Gebühr gut läuft, bekomme ich ja auch mit dem sog. guten Basisszenario auch mehr, aber ein Management muss ja auch einen attraktiven Anreiz dafür haben, gute Arbeit zu leisten, und der liegt in einer ordentlichen Gewinnbeteiligung. Und genau hier warten die Porsches unter den Emittenten mit einem besonderen Schmankerl auf, das viele leider übersehen:

Kostenhinweis 3:

Schau auf die Hurdle-Rate, bevor du dich über die Bezahlung des Managements aufregst.

In der englischen Betriebswirtschaftslehre gibt es ein Kürzel: MARR. Das steht für minimum acceptable rate of return. Wir sagen Hurdle-Rate dazu, bedeutet: Der Emittent definiert eine Rendite-Hürde; solange er diese nicht erreicht, bleibt jeder Gewinn zu 100 % beim Anleger. Erst, wenn er diese Hürde übersprungen hat, darf sich der Emittent am Gewinn beteiligen. Das sind dann meistens 20-30 %, die er für sich vom Bruttogewinn einbehalten darf, 70-80 % werden wiederum an die Gesamtheit aller Investoren verteilt. Zieht sich ein Emittent mehr als 30 % vom Gewinn, würde ich nicht mit ihm zusammenarbeiten. Außer, die Hurdle-Rate liegt sehr hoch, aber solche Fälle kenne ich nicht.

Praktischerweise stellt das mittlere Basisszenario, also die Renditeprognose, wenn es normal läuft, oft die Hurdle-Rate dar; das muss man im Prospekt dann nachlesen. Bei ängstlichen oder nicht so selbstbewussten Emittenten gilt das linke, also pessimistische Basisszenario, als Hürde zur Gewinnbeteiligung.

Deshalb gilt: Allein durch den Abzug von Kosten wird kein Emittent reich. Wirklich verdient hat ein Management erst, wenn richtig Rendite fließt. Also hat es eine starke Motivation, die Hurdle-Rate zu überspringen und der Anleger kann sich entspannen: Bis zu einem gewissen Mindesterfolg für ihn selbst muss der Emittent seine Hände im Schoß behalten. Aufhalten darf er sie erst, wenn er gute Arbeit geleistet hat.

Kostenhinweis 4 – und der sollte alle auch erfreuen:

Die ausgewiesenen Kosten sind das worst case-Szenario. Es kommt meistens günstiger.

Die große Finanzmarktregulierung 2013/2014 wollte eine ärgerliche Tradition beenden, der sich einige Schmutzfinken unter den Emittenten verschrieben haben. Wir kennen das in Deutschland ja ganz gut aus einem anderen Arbeitsfeld: nämlich wenn die Regierung Bauaufträge vergibt, z. B. den Berliner Flughafen oder Stuttgart 21. Sie nimmt immer den billigsten Anbieter und wundert sich dann jedes Mal, dass die Kosten ins Kraut schießen. Hätte sie gleich den höheren Preis eines hochwertigen und zuverlässigen Anbieters genommen, käme das immer günstiger bei viel größerer Zeit- und Nervenersparnis. Bei den Emittenten von Anlageprodukten lief das so:

Da wurden im Prospekt immer die Kosten möglichst heruntergerechnet, damit des Deutschen Seele nicht aufgeschreckt wird, bevor die Tinte seiner Unterschrift getrocknet ist. Und dann versteckten sich im Text so neblige Wendungen wie „unter Vorbehalt“ oder „Sonderposten“. Und während das Produkt dann lief, wurde der Anleger mit immer höheren Kosten konfrontiert, die ihm seine Rendite völlig zerschossen haben. Lebensversicherungen arbeiten bis heute so.

Bei allen ehrenwerten Emittenten sollte damit aber Schluss sein, sagte ein Finanzausschuss des Bundestags, und jetzt ist das Gegenteil verpflichtend: Ein Emittent muss alle nur möglichen Kosten so pessimistisch wie möglich kalkulieren und dann das höchstmögliche Kostenszenario in seiner sog. ex ante-Kostenkalkulation ausweisen. Mehr als dieses Horrorszenario darf es dann auf keinen Fall kosten, damit der Anleger keine Überraschungen mehr erleiden muss.

Das stellt natürlich auch die besten Produkte, die die schlimmstmöglichen Fälle einberechnen müssen, in ein schlechtes, weil teures Licht. Wie gesagt, abgesehen von Lebensversicherungen, Riester-Sachen oder anderer Murks, wo bis heute anders mit der Darstellung der Kosten umgegangen werden darf. Egal. Was Investoren wissen müssen: Die Kosten sind im Verlauf der Jahre meistens geringer, manchmal erheblich geringer sogar. Das hat wieder mit der Investmentratio zu tun. Kurz zur Erläuterung:

Der Emittent muss immer so tun, als wäre sofort alles Geld in den Zielinvestitionen untergebracht, wo es arbeiten kann. Und gute Emittenten nehmen nur auf dieses auch wirklich arbeitende Geld ihre Gebühren, denn diese Positionen müssen ja auch überwacht werden. Geld, das nur auf dem Konto herumliegt, braucht keine Betreuung und sollte daher auch keine Kosten verursachen.

In der Realität dauert es aber mehr oder weniger lang, bis eingehende Gelder investiert werden können in vielversprechende Projekte. Nie ist alles Geld zu 100 % investiert, so lange neues Geld reinkommt. D. h. die Kostenquote ist allein deshalb immer zu hoch angesetzt.

Es gibt einen Trick, wie die Kostenentwicklung über die Jahre schnell und einfach verfolgt werden kann: Über den jährlichen Geschäftsbericht oder über die WAI, die sog. Wesentlichen Anlegerinformationen, wenn sie neu ausgewiesen werden. Und siehe da: Bei Emittenten der Triple-A und Double-A-Kategorie, wie ich sie im Videoseminar zeige, werden die Kosten von Jahr zu Jahr geringer, und am Ende freut man sich, dass sie nicht so hoch waren wie veranschlagt. Sofern man sich dann überhaupt noch dafür interessiert.

Fazit:

Kosten gehören zum Leben, daher gehören sie auch in die Struktur von Finanzanlagen. Wer sich mit Niedrigkosten locken lässt, wie es in der ETF-Branche oder bei RoboAdvisors so beliebt ist, der soll am Ende nicht herumheulen, wenn er auch nur so schnell unterwegs ist wie ein Fiat Panda. Denn nur dafür hat er auch bezahlt.

Kosten sollte immer eine Leistung gegenüberstehen, nur das rechtfertigt sie. Aber es gibt Grenzen: Also alles über 20 % Initialkosten ist auch für Top-Produkte schon viel, das muss dann begründet werden. Aber bis 18 % inkl. Agio und 2 bis max. 3 % Jahres-Fee kann es bei Spitzenmanagements schon gehen, weil sie eben wissen, dass sie das locker einspielen. Und nicht erschrecken lassen von der Kostenprognose. Die ist meistens zu hoch, weil sie eine Obergrenze darstellt, die ein kostenbewusstes Management so gut wie nie berühren wird.

Zum Abschluss möge noch ein bekannter Investorenspruch im Gedächtnis haften bleiben, der auf jedes Produkt und jede Dienstleistung im Leben übertragen werden kann:

Ein gutes Assetmanagement kostet Geld. Ein schlechtes kostet ein Vermögen.

Also nicht trotz, sondern wegen aller Kosten ein Leben in Fülle,
Euer Andreas

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