#66 Hörerfrage: Vermögen gut, alles gut?

Wir taumeln einer dunklen, schmerzhaften Zukunft entgegen. Keiner wird ihr entkommen. Doch ganz hilflos sind wir nicht. Jeder Einzelne kann etwas Entscheidendes für sich tun.

Warum Wohlstand nicht alles ist in einem Land, das abgehängt wird

Das Wohlstandsbildner-Blitzlicht für gelingenden Vermögensaufbau und ein gutes Leben – auch, wenn es heute etwas düsterer wird mit dem Titel „Vermögen gut, alles gut? Warum Wohlstand nicht alles ist in einem Land, das seine Hausaufgaben nicht macht.“In einer Beratung wurde ich kürzlich gefragt, ob denn mein Lebensmotto sei „Vermögen gut, alles gut.“ Denn das würde ich nicht zuletzt in all den Podcasts ausstrahlen. Ich antwortete, dass ich den Spruch ändern würde in „Vermögen gut, vieles gut.“ Wer weiß, dass er mit den eigenen Wertschöpfungsketten finanziell abgesichert ist ohne Abhängigkeiten von anderen Instanzen, der lebt entspannter.
Dass deshalb gleich „Alles gut“ wäre? Nein, natürlich reicht das nicht. Dazu gibt es einfach zu viele wirklich reiche Menschen, die ein tieftrauriges Dasein fristen.

Vieles macht glücklich – Geld aber kaum

Die haben meistens eine gute Beziehung zum Geld, aber keine guten Beziehungen zu Menschen. Und dann fehlen schon mal 40% zum Glücklichsein. Weitere 58% verteilen sich auf den Sinn, den ein Mensch seinem Leben zu geben vermag, 1% bleibt für die Gesundheit, die – jawoll – weniger zum Glück beiträgt, als viele denken. Das verweise ich auf das große Forschungsgebiet der positiven Psychologie und auf den Glücksforscher Martin Seligman. Es bleibt also nur ein Prozent fürs Geld übrig, das zu unserem Glück beiträgt. Das ist halt ein bisschen wenig für „alles gut“.

Wir haben es einfach nicht restlos in der eigenen Hand, wie gut es uns geht. Als soziale Wesen, die wir sind, ist es uns einfach zu wichtig, wie gut es unseren Liebsten geht. Und wie es unserem Umfeld geht:

Deutschland geht es historisch schlecht, was vor allem selbstverschuldet ist

Zu meinem erweiterten Umfeld zähle ich ganz Deutschland. Das ist das Land, in dem ich am meisten Zeit verbringe und das ich jeden Tag erlebe und spüre. Und für mich kann unmöglich „alles gut“ sein, wenn ich jetzt, Mitte 2022, sehe, wie es diesem Umfeld geht: nämlich richtig schlecht. Historisch schlecht.

Ja, mit der Pandemie und dem Ukraine-Krieg haben wir jetzt historische Ereignisse. Aber: diese beiden sind meiner Meinung nach nicht der Hauptgrund dafür, wie sehr wir in Schwierigkeiten sind. Vielmehr decken sie auf, wie unser Land in den letzten 30 überwiegend guten Jahren auf schlechte Jahre vorbereitet wurde: nämlich gar nicht.

16 Jahre gut verwaltet, aber nichts vorangebracht

Ich habe nie verschwiegen, dass ich Angela Merkel für eine schwer limitierte Kanzlerin gehalten habe. Kein Gestaltungswille, keine Idee für die Zukunft, aber in Summe hunderte Millionen Euro Steuergeld alle paar Monate für Umfragen ausgegeben, um das Fähnchen nach des Volkes Wille auszurichten – einem Willen, der nie die Zukunft im Blick hat, sondern immer nur die Bedürfnisse der Gegenwart. Daraus wurde Symptom- und Stillstandpolitik. Merkel hat nur verwaltet, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Das hat sie gut gemacht. Das reicht aber nicht in einer Zeit, in der andere Länder so unglaublich nach vorne schreiten. Und wenn andere nach vorne preschen, man selbst aber lieber stillsteht, dann wird man naturgemäß abgehängt. Und wer abgehängt wird, keucht aus dem letzten Loch, wenn er wieder etwas Boden gutmachen will. Das beginnt bei den Bundesjugendspielen und gilt auch für den Staat als Ganzes

Ganz ehrlich, liebe Podcasthörende: Ich sehe gerade wenig Gründe, um optimistisch zu sein, was die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands angeht. Ich sehe nach wie vor kein Crash-Potential, aber ein deutliches Verarmungspotential, und zwar für die nächsten Jahrzehnte – die schon heute knapp 14 Mio. deutschen Bürger, die weniger als 1.300 Euro im Monat haben und deshalb als arm gelten, die dürfen da als Menetekel an der Wand leuchten. Dass Wohlstandsbildung deshalb kein Luxus mehr ist, sondern Not-wendig-keit– das wurde mir vor 5 Jahren von vielen noch als netter Slogan ausgelegt. Ich empfehle mehr denn je, diese Notwendigkeit heute wörtlich zu nehmen mit der Not, die nur gewendet werden kann durch: Wohlstandsbildung.

Sechs Gründe, warum wir der Zukunft entgegentaumeln

Hier sechs Gründe, die mich veranlassen nicht optimistisch, sondern einfach nur ehrlich und offen zu sein:

  1. Über Jahrzehnte hat Deutschland mehr exportiert als importiert. Handelsüberschüsse gehören zum Selbstbild unseres Landes. Eine hohe Binnennachfrage wurde eher vernachlässigt. Heute, im Juli 2022, ist klar: Wir haben einen historischen Einbruch aller Exporte, von 20 Mrd. Plus auf 1 Mrd. Minus. Die Handelsbilanz ist negativ, die Aussichten sind noch negativer.
  2. Unter den 100 wertvollsten Unternehmen der Welt befindet sich kein einziges deutsches mehr. Der Industriegasproduzent Linde wäre auf Platz 74, aber der ist nach einer Fusion zu stark amerikanisch beeinflusst. Erst auf Rang 110 kommt SAP. Was wertvoll ist und nachgefragt wird, bestimmen also die anderen. Wir laufen nur hinterher. Das liegt maßgeblich an
  3. Die Merkel-Regierung hat es versäumt, fünf Kernelemente einer funktionierenden Gesellschaft einzurichten. Nennen wir es die 2+3 der verpassten Chancen. Zuerst die Zwei: Es mangelt 1. an der Digitalisierung des Landes mit Hochgeschwindigkeitsnetzen und 2. an der Förderung von Unternehmensgründungen. Beides geht Hand in Hand. Unter den Industrieländern gehören wir zu den digital langsamsten, und das steuerliche wie infrastrukturelle Umfeld für Startups ist im Vergleich mit den Trendsetter-Ländern erbärmlich, zu denen ich die USA und China zähle, aber auch so kleine wie Finnland, Estland und Dänemark.
    2+3 waren es. Mit den Drei meine ich die drei Sozialversicherungssysteme, die uns heute verschulden, morgen finanziell aushöhlen und übermorgen in den Ruin treiben: die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Seit 15 Jahren kennen wir die demografische Entwicklung über das Jahr 2050 hinaus. Da ist nichts mehr spekulativ, nur noch definitiv. Trotzdem wird nicht reformiert, obwohl Lösungen auf dem Tisch liegen. Und warum nicht? Weil Reformen erstmal richtig wehtun würden. Politiker wollen aber erst wiedergewählt werden und dann vielleicht reformieren. Also wird nie reformiert, denn das würde länger als eine Legislaturperiode dauern. Also werden die Löcher mit Schulden gestopft oder mit Geld aus anderen Töpfen, denen dann das wiederum das Geld fehlt: Bildung, Bundeswehr, Infrastruktur, sowas alles.
    Wenn die Politik dabei wenigstens ehrlich wäre, denn sie redet immer nur von einer expliziten Verschuldungsquote von 2,3 Billionen Euro. Und verschweigt die 12 Billionen implizite Schulden, weil keine Rückstellungen für die Sozialsysteme gebildet wurden. Nachhaltigkeitslücke nennt man das offiziell. 400% Verschuldung aufs BIP lassen es mich anders bezeichnen: Eigentlich ist es Insolvenzverschleppung.
  4. Wir haben hunderttausende nicht besetzte Ausbildungs- und Arbeitsplätze in Erziehung, Bildung und Handwerk. Die drei bedingen aber einander, sie sind das Rückgrat einer gesunden Volkswirtschaft. Wir müssen deshalb dankbar sein für jeden gebildeten oder bildungswilligen Einwanderer und ihm konkurrenzlose Aufstiegschancen bieten. Stattdessen haben wir Krakeeler wie die AfD im Bundestag; wir haben eine dysfunktionale Einwanderungsbehörde; und wir haben keine pädagogisch gut ausgebildete Infrastruktur, um Zuwanderer in Leistungsträger zu verwandeln.
  5. Emmanuel Macron in Frankreich wollte immer, Angela Merkel hat es immer verhindert: Weniger abhängig sein von den USA, wenn es um Sicherheit geht. Weniger abhängig sein von China, wenn es um Wirtschaft geht. Weniger abhängig sein von Russland, wenn es um Energie geht. Danke, Angela, du siehst, was heute los ist.
    Macron wollte Europa wirtschaftlich stabilisieren und attraktiv machen gegenüber den Hardcore-Globalplayern Amerika und China, und zwar mit Freihandelsabkommen. Kanada, Südamerika, Japan, die ganzen indopazifischen Staaten, ja, sogar Afrika. Himmel, was wäre da alles möglich. Nur mit Kanada geht es langsam voran, und der Krieg bringt uns wenigstens wieder mit Südamerika ins Gespräch. Diese Abkommen sind unfassbar mächtige, die Zukunft gestaltende Werkzeuge. Sicher nicht perfekt von Anfang an, da muss man auch mal Ideologien beiseitelassen und Entwicklung zulassen können. Aber sie schaffen schnell Frieden durch Kooperation und Wohlstand durch Handel.
    Und wenn wir schon bei Europa sind, will ich ein Desaster schon gar nicht verschweigen. Das ist vielleicht eines der gravierendsten:
  6. Die haarsträubend verfehlte Fiskalpolitik der Europäischen Zentralbank, die eigentlich gar keine Politik machen darf als einzig für die Währungsstabilität zuständige Instanz. Aber wen interessiert das noch. Wie Griechenland hätte sich Italien als unser mittlerweile größtes Sorgenkind in der EU auf die Gesundung seiner Finanzen konzentrieren sollen. Aber Mario Draghi, ein Italiener, hat nur Geld gedruckt. Jetzt kann vor allem wegen Italien kein entschlossener Kurs gegen die Inflation gefahren werden.

Inflation als Prozess der Verelendung durch Enteignung

Diese Teuerungsrate wird uns so stressen, wie wir es noch gar nicht ermessen können. Denn Inflation ist, um es mal deutlich zu sagen, ein Prozess der Verelendung durch Enteignung. Auch hier danke an Angela! Die hat sich mit einer boah, Green-Deal-Man-on-the-Moon-von der Leyen begnügt, während Macron seine Christine Lagarde auf den viel wichtigeren Posten hieven konnte. Und dann hat bei uns der beste europäische Währungspolitiker Jens Weidmann, ehemals Chef der deutschen Bundesbank, frustriert das Handtuch geworfen.

Ich belasse es mal bei diesen sechs Punkten. Wie auch immer: Der einzelne Bürger kann an diesen durchaus dystopisch anmutenden Zuständen für den Moment nichts ändern. Unsere Wirtschaft befindet sich in einem Zustand zwischen Operationssaal und Friedhof und wird nur durch Schulden beatmet. Aber, um fair und ausgleichend zu sein: Möge keiner denken, es wären nur die Politiker und Angela Merkel schuld. Nein, es müssen sich auch die an die Nase fassen, die diese Politiker und 16 Merkel-Jahre gewählt haben.

Jeder kann etwas ändern: einen neuen Typus Politiker wählen

Dr. Jens Ehrhardt, Vermögensverwalter und damit Herr über mehr als 10 Mrd., hat am 26. Juni 2022 im Gespräch mit Gabor Steingart etwas wie nebenbei gesagt, dabei benennt es ein Kernproblem. Er sagte schlicht und einfach: „In einer Demokratie werden die Politiker abgewählt, wenn sie was Unangenehmes machen, was langfristig durchaus positiv sein kann.“

Ich fand das einen ermutigenden Satz. Denn der ist ja auch im Umkehrschluss richtig: „In einer Demokratie werden die Politiker gewählt, wenn sie was Unangenehmes machen, was langfristig durchaus positiv sein kann.“

Ob dieser Satz wirklich auch so gelten kann, liegt in einer Demokratie an jedem und jeder Einzelnen, wenn wir uns trauen, über den Moment hinauszudenken. Wir kommen um das Unangenehme eh nicht herum. Das Jahrzehnte andauernde Schuldenbesäufnis wird einen jahrzehntelangen Kater mit sich bringen. Viele, sehr viele werden brutale Kopfschmerzen haben, weil ihnen das Geld immer schneller ausgeht. Trotzdem wird es Zeit, dass wir keine Schuldenalkoholiker mehr wählen, sondern einen ganz neuen, widerstandsfähigen und gesunden Politikertypus unterstützen, der dem Unangenehmen nicht aus dem Weg geht. Klar gibt es solche Politiker. Sie werden sich aber erst dann zur Wahl stellen, wenn sie eine Chance haben. Also, wenn wir dafür bereit sind.
Wir haben immer nur die Politiker, die wir verdienen und nicht die, die dem Land dienen.

Wohlstandsbildung als Kopfschmerztablette in bedrückenden Zeiten

Bis es soweit ist, kann sich jeder eine Kopfschmerztablette einwerfen, die Wunder wirkt, keine Nebenwirkungen hat und einem richtig gute Laune inmitten der Misere verschafft: das ist finanzielle Bildung. Wohlstandsbildung! Und das ist die darauffolgende Bildung von Wohlstand, um die unvermeidlichen Wohlstandsverluste mehr als ausgleichen zu können.

Mit diesem Blitzlicht habe ich viel Unangenehmes verkündet, ich weiß. Aber ich wollte dem Politikertypus, den ich mir wünsche, mit gutem Beispiel vorausgehen. Denn mir selbst traue ich Politik nicht zu. Sie ist ein Hamsterrad, in das ich mich gewiss nicht einsperre. Ich renne lieber in Hamsterrädern herum, die mich immer wieder aufs Neue etwas Beglückendes spüren lassen: nämlich ein Leben in Fülle.

Euer Andreas

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