#75 Die USA und Deutschland im Vergleich

Droht eine düstere Zukunft oder lockt die Marktführerschaft für unser Land?

Das Wohlstandsbildner-Blitzlicht für gelingenden Vermögensaufbau und ein gutes Leben. Thema heute ist nur eines für stabile Gemüter: Die USA und Deutschland im Vergleich – Droht eine düstere Zukunft oder lockt die Marktführerschaft für unser Land?

Wir als noch viertgrößte Wirtschaftsnation befinden uns im beschleunigten Niedergang. Die Politik tut zu wenig dagegen. Und doch haben wir Chancen – weil wir ein globales Problem lösen könnten.

Deutschland ist ein reiches Land – stimmt das wirklich?

Wir leben in einem Land, das bis heute von vielen als „reich“ bezeichnet wird. Jedem, der das zukünftig behauptet, sollte die Rückfrage gestellt werden, welchen Reichtum er damit eigentlich meint?! Ja, wir liegen noch unter 100% Verschuldung des BIPs, aber seit wann gelten weniger Schulden als Reichtum? Die Staatsverschuldung kann jedenfalls nichts zu tun haben mit dem Privatvermögen der Bürger, wenn wir uns das private Durchschnittsvermögen in den G7-Ländern anschauen. Amerika ist stark verschuldet, wissen wir alle. Das durchschnittliche Privatvermögen lag bei der letzten Erhebung von Statista 2020 allerdings bei umgerechnet 218.000 Euro. Japan hat einen der höchsten Schuldenstände überhaupt weltweit. Durchschnittliches Vermögen: 100.000 Euro. Sogar Franzosen und Italiener, diese cleveren Schuldenmacher, liegen im Privatvermögen vor den Deutschen. Wir kommen nämlich gerade mal auf knapp 62.000 Euro Vermögen im Schnitt.

Überhaupt die Italiener. Ganz groß im Dramamachen, aber 9,8 Bio. Euro privates Vermögen hat das Volk. Deutschland kommt gerade mal auf 5,2 Bio. Euro, trotz der deutlichen höheren Milliardärsdichte; was heißt, dass der Großteil der Deutschen deutlich weniger besitzt als der Großteil der Italiener.

Wie steht es also wirklich um Deutschland? Ein Vortrag vom Wirtschaftsprofessor Hans-Adalbert, genannt „Bert“ Rürup, hat mich da eindrücklich was Anderes gelehrt, wenn es um den Zustand und vor allem um die Zukunft von Deutschland geht. Der Professor ist bekannt, weil er mit seinem Konzept zur Rürup-Rente 2005 einen Beitrag zur privaten Altersvorsorge in Deutschland leisten wollte. Wie erfolgreich das war, sei mal dahingestellt. Aber da spricht und warnt ein schlauer Kopf, und ein paar seiner Aussagen will ich hier kommentieren – und wenn wir gerade bei Amerika waren, bietet sich eine Gegenüberstellung USA-Deutschland an.

Die wirtschaftliche Stellung der USA und Deutschlands

Die USA haben rund 4 Mal so viele Einwohner wie wir, sind aber wirtschaftlich 5 Mal größer. Entsprechend liegt die weltwirtschaftliche Bedeutung der Amerikaner bei rund 30%, während die unsere – obwohl noch viertgrößte Industrienation – schlicht als marginal bezeichnet werden darf. Wenn es überall nur bei einer Verfünffachung in wirtschaftlich zentralen Bereichen bliebe. Oh nein, 2021 wurden in den Staaten 329 Mrd. Dollar in die Frühphasenfinanzierung von Firmen gesteckt. Bei uns? 17,4 Mrd. Euro. Dabei sind es 49% amerikanische Gründerinnen. Bei uns? 20%.  Sehr frustrierend ist dann auch das Ergebnis, wie sich die Firmen entwickeln: 2021 entstanden in Amerika mehr als 1.000 Einhörner, also Firmen mit 1 Mrd. Marktbewertung oder mehr. In Deutschland waren es 24. Mit der Anzahl an Bürgern, die was leisten könnten, kann diese Diskrepanz nichts mehr zu tun haben. Was ist der Grund dafür?

Amerikaner sind stolz auf ihr Land und extrem ehrgeizig

Einer ist womöglich, dass sich die Amis von Geburt an für die Größten halten, begründet im Stolz auf die tollste Nation auf Erden, die von Gott persönlich besonders gesegnet sein soll. Wir nennen es vielleicht Hybris. Aber dieses Selbstverständnis ist ohne Zweifel ein Nährboden für Spitzenleistungen. Dieses Volk ist von Fuß bis Kopf competitive unterwegs, sehr auf Wettbewerb aus und ist beleidigt über 2. Plätze. Deutschland hingegen, Wettbewerb? Na ja, sowas wie Jugend musiziert und eine Mathematik-Olympiade lassen wir noch durchgehen, aber ansonsten bitte eher im Verborgenen brillieren. Amerikanern ist wichtig, sich an ihre Erfolge und Glanzzeiten zu erinnern; uns ist wichtiger, dass die dunkelsten Momente unserer Vergangenheit in Erinnerung bleiben.

Deutschland im demografischen Niedergang

Aber das Problem ist auch in unseren Kreissälen zu finden. Denn wo wir das ganz große Nachsehen haben, das ist die Altersstruktur der Bevölkerung. Dazu muss man wissen: Demografie-Prognosen gehören mit zu den präzisesten überhaupt. Während wir nicht sagen können, wo die Weltwirtschaft in drei Jahren steht, wissen wir ziemlich genau, wo sich die Nationen die nächsten 30 Jahre hin entwickeln werden. Konjunkturprognosen sind volatil, Rentenprognosen sind solide. Und da sieht es ganz düster aus für uns: Unsere Alterspyramide gleicht sprichwörtlich einer Urne, die in ihrer morbiden Dürre nur von Japan übertroffen wird, dem überaltertsten Volk der Welt. Nicht weit dahinter kommen wir.

Amerika hat hingegen einen breiten Sockel, sieht eher aus wie eine Kirchturmzwiebel, bei der die Linie mit den über 65-Jährigen nach oben hin erfrischend schmal wird. Die Geburtenrate sorgt für Bevölkerungswachstum, das zu über 60% aus einer arbeitenden Bevölkerung bestehen wird. Darauf kann man aufbauen. Bei uns dagegen sind heute schon die Rentenkassen leer. Dass die Renten trotzdem noch ausgezahlt werden, liegt an Umverteilungsmechanismen.

Der größte Umverteilungsstaat auf Erden – und kaum Geld für die Zukunft

Wir sind überhaupt der größte Umverteilungsstaat auf Erden. Das Institut für Weltwirtschaft hat am 05. Oktober 2022 berichtet, dass unsere Regierung 60% des Haushaltes als Sozialausgaben und immer neue Finanzhilfen nur umverteilt. Dabei passiert null Wertschöpfung, aber das Wählervolk fühlt sich gut betreut. Gerade mal 16% vom Staatshaushalt bleiben übrig für die äußere und innere Sicherheit, für Bundesfernstraßen und Digitalisierungsprojekte – und auch dabei entstehen eher wenige neue Werte. Für die aber, für die sog. Produktionseffekte, für Innovation, Grundlagenforschung und Bildung, bleiben wieviel vom Bundeshaushalt? 6,4%.

Wir investieren 6,4% in unsere Zukunft. Das ist eigentlich nicht zu fassen, aber Bert Rürup hat hierzu etwas angemerkt, was einleuchtet und was ziemlich deprimiert in unserem Fall:

Rürup zitierte Helmut Schmidt, der typisch trocken mal sagte: Politik ist Mehrheitsbeschaffung.
Wen muss die Politik also bei uns umgarnen in einer alternden Rentnergesellschaft, um Mehrheiten zur Wiederwahl zu bekommen? Natürlich die Rentner! Aber ist ein Rentner an Zukunftsprojekten interessiert?

Zu viele Rentner blockieren eine zukunftsgewandte Politik

„Mit einer alternden Gesellschaft kannst du keine Wirtschaftspolitik machen“, sagt Rürup. Das ist das ganze Fazit. Ich meine, wenn all unsere Rentner finanziell ein gutes Auskommen hätten, dann müssten sie von der Politik nicht so gepimpert werden. Meine Lösung deshalb: Wenn sich jeder in möglichst jungen Jahren mit Investorenwissen einen soliden Grundstock an Vermögen aufbaut, dann ist er im Alter nicht auf die Rentenalmosen des Pleitestaats angewiesen; sondern er kann die Parteien wählen, die die Zukunftsfestigkeit des ganzen Landes ins Visier nehmen.

Aber auch den Vorschlag von Bert Rürup fand ich klasse, möge ihn doch die heutige Politik erhören: Wir müssen so viel Anreize wie möglich schaffen, dass Rentner Lust haben, etwas zu arbeiten, das ihnen richtig Spaß macht und das ihnen Geld einbringt. Ein unternehmerisches Umfeld für die Lebenserfahrung betagter Menschen einrichten, damit Rente mit 69 oder 70 gar kein Thema ist, wenn Arbeit nicht als Belastung, sondern als Erfüllung und Sinnstiftung erlebt und honoriert wird.

Deutschland – Der Korken auf den Wogen der Weltkonjunktur

Bis dahin aber sind wir abhängig, und zwar weniger vom eigenen Können und Schaffen, sondern von der Welt, die unser Können und Schaffen einkauft. Das ist der große Nachteil einer Exportwirtschaft: Wir sind abhängig von der Kaufkraft der Welt. Und zeigt deren Konjunktur nach unten, sieht es düster für uns aus, und genau das erleben wir zurzeit, wo jedes Land mit sich selbst zu tun hat und bitterer Protektionismus von den USA bis nach China weht.

Die Zahlen sind ernüchternd: Wenn man den sog. Offenheitsgrad eines Landes bemisst, liegen die USA bei 23%, China bei 24%. Wir bei 80%. Wir brauchen also offene Märkte und Welthandel wie den Sauerstoff zum Atmen – was für eine Hypothek in Zeiten von Sanktionen und Abschottung.

Rürup hat ein feines Bild dafür gezeichnet, das gut haften bleibt: Deutschland schwimmt wie ein Korken auf den Wogen der Weltkonjunktur.

Es gibt noch zwei gewichtige Dinge, die uns die USA voraushaben:

Der Dollar als Weltwährung ist Macht und Einfluss

1. Die USA sind Inhaber der Weltwährung. Nahezu überall können wir in Dollar bezahlen. Aber wo können wir außerhalb Europas in Euro bezahlen? Da muss man nachdenken. Und das ist Macht. Das kann sogar eine Waffe sein, die ihren Ursprung 1972 darin findet, dass es die USA geschafft haben, den weltweiten Handel mit Öl in Dollar abzuwickeln. Die Macht dieser Währung verleiht Amerika schon an sich einen Führungsanspruch in der Welt. Wir aber schaffen es zudem durch eine verfehlte, inkompetente, verschlafene Währungspolitik, dass unser kleiner Euro, diese von Beginn an kränkliche Geburt auf dem Gebärstuhl der sog. Europäischen Vereinigung, dass dieser Euro noch schwächer, noch billiger, noch unbedeutender wird. Und wenn wir im Ausland für wichtige Güter, Energie z. B., mit billigen Euros teure Dollars eintauschen müssen, dann holen wir uns zusätzlich eine gewaschene Inflation ins Land.

Zwei Wertesysteme, und Deutschland muss sich irgendwann entscheiden

2. Die USA sind global das einzige Schwergewicht, das es mit den Chinesen aufnehmen kann. Wir werden zwischen diesen beiden Supermächten zunehmend zerdrückt. Im Moment haben wir noch einen ordentlichen Handel mit den USA und mit China – wie gesagt, Außenhandel mit großen Märkten ist unsere Überlebensgrundlage. Aber die Systeme der beiden Mächte laufen in den nächsten Jahrzehnten weit auseinander, und wir werden uns immer mehr entscheiden müssen, mit wem wir Handel treiben können und wollen. Die USA sind dabei weit weniger auf China angewiesen als wir. Wir werden uns des Geldes wegen aber bei China andienen müssen, und wenn nichts mehr von unseren Menschenrechtsüberzeugungen und von Fairness übrigbleibt. Umso wichtiger wäre, auch in Europa maßgebliche innovative Infrastruktur anzusiedeln wie die im letzten Podcast erwähnte Halbleiterindustrie.

Wir haben jetzt gesehen, wie fatal die Abhängigkeit von Russland ist. Wer weiß denn, wann China den Handel mit uns beendet, weil ihm irgendwas nicht passt? Das ist dieser Tage nicht zu erwarten, da auch China Probleme hat, vor allem mit einer alternden Bevölkerung; aber China schmiedet eine Handelsvereinigung nach der anderen. Deutschland ist bisher in keiner dabei.

Einwanderung als Chance und die Besinnung auf alte Tugenden

Nun will ich aber mit einem positiven Ausblick abschließen.
Bert Rürup und ich mit ihm, wir sehen zwei Chancen, um die nächsten richtig schwierigen 25 Jahre einigermaßen zu überstehen:
1. Wenn wir schon nicht genug Kinder selbst kriegen, müssen wir gewissermaßen Kinder adoptieren und deren Eltern noch mit dazu, heißt – wir müssen die bestmöglichen Bedingungen schaffen für eine qualifizierte Einwanderung. Aber Qualität kommt nur, wenn Deutschland durch Zukunftsinvestitionen attraktiv für junge Menschen aller Couleur und Mentalität wird.

Und die andere Chance ist die größte Ressource, die wir seit jeher haben: Intelligenz, Fleiß und Erfindergeist. All das gilt es einzusetzen, um führend zu werden bei der Lösung der ganz großen Probleme, wie z. B. dem Klimawandel.

Wer globale Probleme am besten löst, wird Marktführer

Da fragen sich viele, warum wir, die wir gerade mal 2% Anteil haben am weltweiten CO2-Ausstoß, warum wir uns dermaßen anstrengen mit Dekarbonisierung und grünen Technologien. Ja des isch doch ganz klar, ruft da der Schwabe – weil hier ein riesiger Markt winkt! Alle Länder werden früher oder später grün werden müssen, wenn sie ihr Lebensumfeld nicht zugrunde richten wollen. Das mag bei den einen noch 10, bei anderen 40 Jahre dauern, aber irgendwann ist jeder dran.

Und dann hat es sich gelohnt, dass wir vorangegangen sind und all das Zeugs entwickelt und ausprobiert haben, das uns als Exportland bestätigt. Und nebenbei haben wir damit hunderttausende Arbeitsplätze geschaffen. Und meine persönliche Hoffnung ist: dass wir mit der zunehmenden Verdrängung des Ölhandels durch grüne Technologie und Energiegewinnung dem Dollar Marktanteile wegnehmen können. Denn erst mit einem starken, wichtigen Euro wird Europa stark und wichtig.

Andere Länder wie Schweden und Norwegen, die mögen jetzt schon grüner sein als wir und auf solideren Finanzen sitzen; aber dieses Deutschland, das – ich weiß nicht wie –  auch die pomadigste Regierung unter Kohl, Merkel und Scholz überleben wird, dieses Land ist so reich gesegnet mit einem Bodenschatz, den wir hoffentlich zu ganz neuer Blüte treiben können: Und das ist erfinderische Brillanz, gepaart mit unbeugsamem Fleiß, und das alles durchdrungen von Bescheidenheit und Korrektheit, die uns anderen Ländern so sympathisch machen, dass sie gern mit uns Handel treiben. Mit so einer Haltung müssen wir nicht nach außen glänzen wie die USA. Nein, es genügt doch völlig, wenn unser Know-how schlicht unverzichtbar ist, wenn es darum geht, ein Leben in Fülle zu gestalten – mit frischer Atemluft, sauberen Gewässern und gesunden Böden.

Euer Andreas

Shownotes

Durchschnittliches Privatvermögen in den G7-Ländern: https://www.thepioneer.de/graphics/deutschland-das-schlusslicht#details

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