#69 Schützen Sachwerte doch nicht vor Inflation?

Wie eine Forschungsarbeit nur das wiederholt, was schon immer falsch war.

Das Wohlstandsbildner-Blitzlicht für gelingenden Vermögensaufbau und ein gutes Leben. Heute wird es wissenschaftlich mit der These, dass Sachwerte gar nicht so gut vor der Inflation schützen sollen, wie immer behauptet wird.

Vorsicht bei angeblich inflationssicheren Anlagen?

Am 07. Juli 2022 hat ein Artikel in der Neuen Züricher Zeitung meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Vielleicht, weil die Überschrift etwas reißerisch daherkam mit dem Angstmachwörtchen „Vorsicht“ im Titel. Da hieß es also:

Vorsicht bei angeblich inflationssicheren Anlagen: warum Aktien und andere Sachwerte als Inflationsschutz versagen.“ Und dann im Untertitel: „Ein neues Forschungspapier zeigt: Der weit verbreitete Glaube an Sachwerte als sicherer Hafen in Zeiten der Teuerung griff zu kurz.“

Dort wird weiters behauptet, dass man mit Aktien und Immobilien in den letzten beiden Jahrzehnten gut der Inflation entkommen konnte, weil die Preise für Aktien und Immobilien mit der Teuerungsrate gestiegen sind. Doch seit Anfang des Jahres sei es aus damit, ich zitiere:

„Als die Teuerungsindikatoren zu steigen begannen, fielen erwartungsgemäß nicht nur die Kurse der Anleihen auf breiter Front, sondern auch jene von Aktien und anderen Sachwerten.“

Aktien und andere Sachwerte im Teuerungsverhältnis zur Energie

Hier habe ich schon das erste Mal die Stirn gerunzelt mit der Frage, was der Autor Lorenz Honegger denn meint, wenn er von „anderen Sachwerten“ spricht. Denn das tut er noch ein paar Mal. Aber er definiert diese anderen Sachwerte nirgends, was ich journalistisch etwas unpräzise finde. Schauen wir uns genauer an, worum es geht:

Es gibt da also ein Forschungspapier – keine Ahnung, was genau ein Forschungspapier ist, aber es klingt schon mal sehr wissenschaftlich. Dieses Papier entstammt der Feder des Ökonomen Nikolai Roussanov. Der räumt laut Honegger auf mit dem Irrglauben, dass, ich zitiere wieder, „Aktien und sogenannte andere Sachwerte“, Zitat Ende, einen verlässlichen Inflationsschutz darstellen würden. Begründet wird das mit vier Thesen. Ich fasse die mal so zusammen, wie ich sie verstanden habe:

  1. These: Aktien und Immobilien sind nur in guten Zeiten InflationsschutzAktien und Immobilien taugen mit steigenden Preisen als Inflationsschutz nur, wenn die Wirtschaft gut läuft und im Zuge des Wachstums auch die Energiepreise wegen hoher Nachfrage steigen. Es gibt also eine Korrelation zwischen Energie und den sog. Sachwerten. Jetzt aber haben wir wegen des Ukraine-Krieges einen Preisschock im Energiesektor, also fallen folgerichtig die Börsenkurse und Immobilienpreise. Das ist soweit verständlich und jeder kann das ja mal für sich beobachten, ob sich die Preisentwicklung von Börse und Immobilien an den Energiemärkten orientiert.
  2. These: Nicht die Gesamtinflation, sondern die Kerninflation ist gefährlichEine hohe Gesamtinflation ist nicht so sehr das Problem. Das Problem ist eine hohe Kerninflation, so, wie wir sie derzeit haben. Kerninflation, ein wichtiger Begriff für die Rechenspiele der EZB, Kerninflation bezeichnet die Teuerung des Warenkorbs, bei dem die Preisschwankungen von Energie und Lebensmitteln nicht berücksichtigt sind, also sowas wie Kleidung, Wohnen und medizinische Versorgung, weil das nicht so schwankungsanfällig ist ; wenn diese Sachen aber immer teurer werden, dann wird es gefährlich für alle Sachwerte.
  3. These: Ein kostengünstiger Schutz gegen Inflation ist nicht möglichEs ist nicht möglich, sich kostengünstig gegen Inflation abzusichern. Weil man dann nicht in die Sachen investieren dürfte, die von der Kerninflation am meisten betroffen sind, also nicht in Energie und Lebensmittel mit ihren hohen Preisschwankungen. Denn, so lese ich das heraus, Investitionen in Sachwerte mit hoher Volatilität werden als zu riskant und/oder als zu teuer empfunden. An der Stelle frage ich mich allerdings, warum die teils extrem schwankenden Börsenkurse nicht als riskant betrachtet werden.
  4. These: Wenn auch die Aktien-Anleihen-Regel nicht inflationssicher istBei angeblich inflationssicheren Finanzprodukten und Anlagestrategien ist Vorsicht geboten. Nicht einmal die bewährte 60/40-Regel würde ihren Zweck seit Beginn der Zinsregel erfüllen, also 60% in Aktien und 40% in Anleihen zu investieren.

Ein klares Fazit wurde dann nicht formuliert, aber es sollte wohl einfach hängenbleiben, dass die Forschung höchstselbst nun herausgefunden hat: einen Inflationsschutz mit Sachwerten gibt es nicht. So hat mich der Artikel wie so manch anderer etwas ratlos hinterlassen: Ich weiß jetzt, was nicht funktioniert. Also das, was die überwältigende Mehrheit anwendet, funktioniert nicht. Das ist für mich keine neue Aussage. Was im Umkehrschluss aber funktioniert, darüber schweigen sich die Ökonomen aus. Vielleicht ist es ja zu riskant Empfehlungen zu geben.

Wohin die Masse mit ihrem Geld getrieben wird – und so wahrer Inflationsschutz existiert

Nun, alle Welt schreibt ja gerade irgendwas zum Thema Inflation, da die Preise für uns Deutsche ungewohnt heftig nach oben drängen und uns das gewohnt schnell beunruhigt. Einzig der Gang an die Börse soll auf lange Sicht der einzige glücklich machende Weg sein, da sind sich bisher auch die sog. Experten einig. Doch nach dieser Forschungsarbeit wird ja sogar das in Zweifel gezogen. Also gibt es augenscheinlich gar kein Mittel, um die jetzige Inflation in Krisenzeiten gut zu überstehen.

Ein paar Anmerkungen ganz allgemeiner Art von mir dazu:

  1. Wir haben Stand Juli 2022 eine offizielle Inflation von knapp 8%. Und sie wird noch steigen, da Zinsanhebungen durch die EZB meistens stark zeitverzögert wirken, wenn sie denn wirken. Wer also nicht unter den 8% leiden will im Sinne eines Inflationsschutzes, muss 8% Rendite erwirtschaften nach Steuern, das sind also 10% brutto. Das allein machen sich ja nur wenige bewusst.
    Nun darf sich jeder fragen, ob er der Börse regelmäßig zutraut, 10% oder mehr zu erwirtschaften. Das wäre dann in diesen Zeiten ein Inflationsschutz.
  2. Aktien, die an der Börse gehandelt werden, werden in dem Artikel als Sachwert bezeichnet. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die Börse ein rein massenpsychologisches Phänomen geworden ist. In dieses Phänomen werden Ängste und Hoffnungen die Zukunft betreffend in die Gegenwart eingepreist. Das alles ist Spekulation und hat – wie Tesla eindrücklich beweist – mit dem wirklichen Unternehmenssachwert, der hinter einer Aktie liegt, nichts mehr zu tun. Die Finanzindustrie will das einfach nicht benennen, dass Aktien heute mehr spekulativen Wertpapieren entsprechen und weniger dem Anteil an einem Unternehmen, an dessen Chancen und Risiken man beteiligt ist. Vielleicht wird das nicht so deutlich gesagt, weil unbedarfte Anleger dann kein Vertrauen mehr all den Aktien und ETFs entgegenbringen? Ich weiß es nicht. Aber deshalb ist für mich der ganze Artikel fragwürdig.
  3. In Energie und Lebensmittel zu investieren, so wird gesagt, sei gefährlich, weil hier die Preisschwankungen so hoch seien. Daher wird nur die Kerninflation beleuchtet.
    Zwei Dinge, sagt mir der gesunde Menschenverstand, sind richtig: In Energie zu investieren ist gefährlich, wenn man sie von gefährlichen Kriegstreibern bezieht, die sie als Erpressungsmittel nützen. Außerdem ist der Energiemarkt einer mit dem höchsten Spekulationsvolumen, weil er auch so große Geldmengen ähnlich wie der Währungsmarkt aufnehmen kann. Daher würde auch ich nie in Energiewerte investieren, weil das große Geld die Spielregeln bestimmt, die dem kleinen Geld nie mitgeteilt werden. Da kann man nur verlieren.
    Aber dass nun auch Lebensmittel als riskant eingestuft werden, das verblüfft mich. Deren Preisschwankungen sind ja nur saisonal bedingt, und das ist ganz natürlich und berechenbar: Erdbeeren sind günstig, wenn es sie zuhauf aus deutschem Freiland-Anbau gibt. Aber außerhalb der Saison sind sie selbstverständlich teuer, weil sie aus Chile und Peru eingeflogen werden müssen. Im Durchschnitt über ein Jahr hinweg gesehen sind die Preise stabil bzw. sie steigen mit der Gesamtinflation wie die Mieten oder Kleidung. Also kann ich die dritte These in der Forschungsarbeit überhaupt nicht nachvollziehen, nicht in Werte zu investieren, die zur Berechnung der Kerninflation herangezogen werden. Denn genau diese Werte könnten sinnvolle Kernelemente eines ausgewogenen Portfolios sein.
  4. Sobald etwas einen wissenschaftlichen Touch bekommt, strahlt es sowas Seriöses, Wahres, Wichtiges aus. Dabei reden die Köpfe, die sich Forscher und Wissenschaftler nennen, manchmal nur schwer verständlich daher und fühlen sich dabei saugescheit. Aber nichts davon muss richtig oder wichtig oder nützlich sein, angewendet auf das tägliche, auf das praktische Leben. Wer nützliche Analysen von einigermaßen wissenschaftlich denkenden Leuten haben will, der muss sich an Ökonomen wenden, die nah dran sind am Leben. Ich empfehle etwa den Ökonomie-Podcast der Professoren Lars Feld und Justus Haukap innerhalb der Mediengruppe The Pioneer von Gabor Steingart. Hier mein Empfehlungslink, der mir kein Geld, aber immerhin eine Kaffeetasse einbringt. Wichtiger ist mir, dass richtig guter Journalismus mehr unter die Leute kommt, auch, was finanzielle Bildung angeht: > ThePioneer Breefing
  5. schließlich: Es ist und bleibt zum Heulen. Ob unter Forschern, milliardenschweren Vermögensverwaltern oder selbsternannten Crashpropheten – es hält sich seit Jahrzehnten der Glaubenssatz, es gäbe nur zwei Vehikel zur Sicherung und Vermehrung von Geld in der heutigen Zeit: die Börse und Staatsanleihen.

Selbst Forscher gehen diesem Glaubenssatz augenscheinlich auf den Leim. Ich aber bin kein Forscher, sondern Investor, und als solcher habe andere Investoren beobachtet. Und die durchweg sehr erfolgreichen unter diesen Investoren packen den Großteil ihres Anlagekapitals nicht in den Handel mit Aktien und Anleihen – ja sowas aber auch. Was sie hingegen machen und warum – all das zeige ich ausführlich im Finanzseminar und habe hier auch sonst oft genug darüber gesprochen. Allein, die Masse der Leute wird von der Masse der sog. Finanzexperten weiter darüber im Glauben gehalten, es gäbe in der Finanzwelt nur Anleihen und den Aktienhandel. Beides tendiert bei uns weit unterhalb der offiziellen Inflation und wird trotzdem als alternativlos hingestellt.

Aktien und Wohnimmobilien stellen nur 2% aller Sachwerte dar!

Umso ärgerlicher finde ich es, dass der Titel in der NZZ suggeriert, es ginge beim Schutz vor der Inflation wirklich um Aktien und andere Sachwerte, doch am Ende werden wieder nur Aktien und Wohnimmobilien herangezogen, was 98% aller anderen Sachwerte außen vor lässt.

Mit solchen Artikeln in eigentlich ernstzunehmenden Medien wie der NZZ bleibt es dann halt, wie es ist: Die Masse der Kleinanleger bleibt gefangen im vergleichsweise kleinen Markt der börsengehandelten Aktien und dem renditeschwachen Markt der Staatsanleihen und Wohnimmobilien. Und die exklusive Schar der Großinvestoren bleibt dort unter sich, wo das globale Vermögen in tatsächlichen Sachwerten bewegt wird.

Das muss nicht so sein. Längst gibt es auch für Klein- und Kleinstanleger Zugänge zur großen Investorenwelt. Und wer wirklich will, der findet diese Zugänge, natürlich! Das nennt man auch selektive Wahrnehmung. Ich nenne es Wohlstandsbildung, die nur ein Ziel hat: ein Leben in Fülle.

Euer Andreas

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