#76 Auslaufmodell Lebensversicherung

Wie die Inflation einer schon lange fragwürdigen Anlage den Todesstoß versetzt.

Das Wohlstandsbildner-Blitzlicht für gelingenden Vermögensaufbau und ein gutes Leben. Gar nicht gut ist das Leben gerade für Lebensversicherungen, deshalb ist es heute unser Thema mit dem Titel „Auslaufmodell Lebensversicherung – Wie die Inflation einer schon lange fragwürdigen Anlage den Todesstoß versetzt.“

Inflation – Die größte Angst der Deutschen

Über 10% Inflation in der EU und über 9% in Deutschland gehören zu den größten Problemen und Ängsten, die uns belasten in einer an Herausforderungen wahrlich nicht armen Zeit. Dabei ist das Ende der Fahnenstange sicher nicht erreicht, da 2023 aus vielen guten Gründen noch erheblich schwieriger werden dürfte als 2022, was nicht einmal die Bundesregierung leugnet.

Umso mehr freut es mich, dass wir in dieser schwierigen Zeit den Richtigen an der Spitze dieser Bundesregierung haben. Hat unser Bundeskanzler doch dieser Tage öffentlich kundgetan, er sei sich schon immer sicher gewesen, dass Putin Energielieferungen als Waffe einsetzen könnte. Potzblitz, das Kanzleramt ist von seherischer Kraft durchdrungen! Wir sollten alle innehalten und dankbar sein.

Von Gefahren zu wissen und nichts zu unternehmen: Der deutsche Bundeskanzler

Was ich mich aber frage: Olaf Scholz ist seit 2013 in der Regierungsverantwortung. Nun wurde er in einen Energiekrieg verwickelt. Warum nur berichtet er jetzt von prophetischen Fähigkeiten, hat diese aber nicht schon früher eingesetzt, um die Gefahr eines Angriffs mit dieser Energiewaffe im Bundestag wenigstens diskutieren zu lassen? Er hat es doch gewusst, er war sich doch sicher!

Es gibt sie immer und überall, diese mit besonderer Weisheit gesegneten Menschen. Das sind die, die sagen, sie wären sich ja immer sicher gewesen oder sie hätten ja immer gewusst. Wenn wir zusammen mit diesen Menschen heute im Schlamassel stecken, bringen uns deren prophetischen Künste von damals zwar keinen Deut weiter; aber es soll wohl der Seele guttun, wenn sie mit ernstem Blick, ein bisschen ergriffen von sich selbst, ihre Qualität als nachträgliche Wahrsager zur Schau stellen. Klugscheißer oder Besserwisser könnte da einem auch in den Sinn kommen, aber im Falle von Olaf Scholz wäre das für unser jetziges Problem zu höflich ausgedrückt, finde ich.

Denn er ist als einer der wenigen innerhalb des elitären Machtzirkels zu einem Teil mit verantwortlich für die Lage, wie sie heute ist. Und wenn auch nur dadurch, dass er nicht auf das Problem mit der riesigen Russland-Abhängigkeit hingewiesen hat, obwohl er doch genau gewusst hat, dass hier Gefahr drohen könnte!

Er hat gewissermaßen mitgeholfen, und wenn nur aufgrund von Unterlassung durch Aufklärung, dass ein ganzes Land ins Messer gelaufen ist. So sage ich bei allem Respekt, der Lieblingsvokabel unseres Kanzlers: Er wollte mit der Aussage als kluger Hecht auftreten und landet womöglich als Sardelle in der Pfanne. Eigentor nennt man sowas auch. Mit der Verleihung des Prädikats: nicht vertrauenswürdig.

Olaf Scholz kann mittlerweile mit mehr als nur einem Fall in Verbindung gebracht werden, der abermilliarden Euro Steuergeld gekostet hat. Seine Statements dazu sind so geschmeidig wie kontrastreich, pendeln sie doch anmutig zwischen „ich kann mich nicht erinnern“ und „ich habe es immer gewusst“. Beschreibt er dabei die Dinge, wie sie wirklich waren und sind? Oder schlingt er sich die verbale Krawatte um den Hals, die ihn im jeweiligen Moment am besten aussehen lässt?

Nun, Politikschau zu diesen Zeiten hat die starke Tendenz, einen echt weit runterzuziehen. Lassen wir das also und widmen wir uns einem anderen Drama:

Drei gute Gründe, schon lange die Hände von Lebensversicherungen zu lassen

Wer tapfer über viele Jahre in eine Lebensversicherung hineingespart hat, um sich privat eine zusätzliche Altersvorsorge aufzubauen, der hat jetzt ganz andere Probleme, als einen altklugen Kanzler ertragen zu müssen. Es gibt sie einfach noch, diese vielen Millionen Policen im Land, obgleich schon seit über 20 Jahren bekannt ist, dass Lebensversicherungen nicht sonderlich geeignet sind, um Vermögen aufzubauen. Hier drei gute Gründe, warum das so ist:

  1. Deutsche Gerichte haben zugestimmt, dass Lebensversicherungen als legaler Betrug bezeichnet werden dürfen. Trotzdem wurden neue Policen abgeschlossen.
  2. Finanzmathematiker haben den sog. Garantiezins schon immer als Verkaufsmasche verurteilt, da dieser nur auf den Einzahlungsbetrag angerechnet wird, nachdem die Versicherung ihre 15-25% Kosten abgezogen hat. Aha. 3,2% Zins sollen also über die Zeit 15% Kosten amortisieren. Plausibel geht irgendwie anders. Trotzdem wurden neue Policen abgeschlossen.
  3.  Und schließlich: Wirkliche Vermögensexperten haben schon immer die Finger von diesen vom Staat empfohlenen Produkten gelassen, weil Geldwerte nun mal einer Gefahr ausgeliefert sind, der Sachwerte weit weniger anhaben können: Und das ist die Inflation.

Trotzdem wurden neue Policen abgeschlossen. Und das rächt sich jetzt, wie ich vor ein paar Tagen wieder erleben durfte im Gespräch mit einer Wohlstandsbildnerin. Nennen wir sie hier mal Luisa.

Luisa ist heute 60 Jahre alt und füllte brav seit 2001 die Lebensversicherung eines renommierten Versicherungskonzerns. Sie fing mit 100 Euro Rate an, heute zahlt sie 500 Euro im Monat. Warum? Weil ihr der damalige Verkäufer eine ziemlich deftige Dynamik schmackhaft machen konnte, also eine jährliche prozentuale Steigerung der Raten.

Lebensversicherung mit Dynamischer Ratenanpassung – ein gutes Geschäft für den Falschen

Für die Versicherung ist das natürlich ein Glücksfall. Denn die Summe, die im Todesfall zur Auszahlung fällig wäre, bleibt immer gleich, die Gebühren, die sich die Versicherung zieht, steigen aber. Eine gleichbleibende Leistung wird also jedes Jahr immer teurer. Tolles Geschäft für die Versicherung, wo doch Luisa meinte, mit steigenden Raten auch den Sparanteil zu erhöhen. Das war auch der Fall, aber lange nicht in dem Maß, wie sie es sich gewünscht hätte.
Überhaupt ist diese Absicherung im Todesfall seltsam, da Luisa keine Kinder oder sonstige Verwandte oder Freunde hätte, die begünstigt werden sollen, wenn sie vorschnell ableben sollte. Aber über diesen Widerspruch ist der Verkäufer wahrscheinlich elegant hinweggegangen. Eine Frau kann ja schließlich auch noch mit 39 locker eine Familie gründen, wird er sich gedacht haben.

Ohne finanzielle Bildung wird gekauft, was verkauft wird – auch eine Lebensversicherung

Ich nehme an, Luisa hat zu diesem Produkt gegriffen, einfach, weil es ihr angeboten und verkauft wurde. Wäre ihr was Anderes angeboten worden, hätte sie mutmaßlich das genommen. Denn selbstbestimmt entscheiden kann ein Käufer nur, wenn er weiß, was es alles gibt und wenn er weiß, was er will. Ansonsten macht er das, was der Verkäufer will und nimmt das, was der Verkäufer für ihn auswählt.

Finanzielle Bildung zielt genau darauf ab: Wissen, was es gibt. Wissen, was davon funktioniert. Und Wissen, was zu den eigenen Zielen und Bedürfnissen passt. Aber mit finanzieller Bildung hat sich Luisa erst 20 Jahre später beschäftigt, in ihrem Fall in meinem Seminar, und deshalb bin ich jetzt mit ihr im Gespräch wegen dieser Lebensversicherung.

Da ist übrigens bei mir nicht ein Hauch von Häme oder Belehrung, dass ihre Entscheidung 2001 wohl eine falsche gewesen sein könnte. Rückblickend etwas als Fehler zu bezeichnen ist was? Scholzig. Im Sinne von „Ich habe immer gewusst, dass Lebensversicherungen Schwachsinn sind. Schade, Luisa, dass du nicht so erleuchtet warst. Dein Pech.“ Jemandem rückblickend Fehler vorzuwerfen, das ist Schwachsinn und entlarvt nur den Klugscheißer in den Menschen. Denn im Moment der Gegenwart erscheint uns das, was wir tun, immer als das Richtige. Sonst würden wir doch anders entscheiden. Jemandem Fehler vorzuwerfen macht, wenn überhaupt, nur dann Sinn, wenn diesem vor der Entscheidung bewusst war, dass er einen Fehler machen könnte.

Wie auch immer, zum Glück hat Luisa nicht ausschließlich die Versicherung glücklich gemacht, sondern auch tatsächlich Geld angehäuft. Der heutige Rückkaufswert, würde sie kündigen, beläuft sich auf 84.000 Euro. Im Rahmen des Auf und Ab einer selbstständigen Solo-Dienstleisterin muss man das erstmal schaffen.

Bei einer LV Einmalzahlung oder monatliche Rentenauszahlung wählen?

In zwei Jahren wäre nun die Laufzeit und damit die Zahlzeit dieser Versicherung zu Ende. Dann hätte Luisa nochmal gut 12.000 Euro einzahlen müssen, und sie bekäme eine Ablaufleistung von einmalig rund 100.000 Euro oder eine lebenslange Zusatzrente von knapp über 400 Euro im Monat.

Diese Rechnung entspricht ziemlich genau dem heutigen Durchschnittsalter einer deutschen Frau: es beträgt gerade knapp 84 Jahre. Teile ich die Einmalsumme von über 100.000 Euro durch die monatliche Rente, komme ich auf etwas über 20 Jahre. Wird Luisa also älter als 82 Jahre, würde sie so etwas wie eine zusätzliche Rendite einfahren mit jedem Monat, den sie älter wird als 82. Würde sie 100 werden, dann hätte sich die LV richtig gelohnt. Tja, wenn Luisa wüsste, wie lange sie lebt, dann wäre die Wahl einfach. Aber so lange sie nicht die Fähigkeiten eines Olaf Scholz hat, muss sie sich jetzt entscheiden.

Die Frage an mich war also: „Andreas, was soll ich tun? Laufen lassen oder Rückkaufswert rausholen und umschichten?“
An so einer Stelle bin ich verpflichtet zu sagen, dass ich die Altersvorsorge von Leuten nicht schlechtmachen und zur Kündigung raten darf. Aber dazu anregen, eine einfache Rechnung im Kopf zu überschlagen, das darf ich schon. Und die ist wirklich einfach, speziell in der heutigen Zeit:

Zu Ende bringen, was angefangen wurde, ist bei einer Lebensversicherung keine gute Idee

Es sind also nur noch zwei Jahre einzuzahlen oder auch stillzulegen bis zur Endfälligkeit der Versicherung. Ich weiß, dass die meisten bei einer 24-jährigen Gesamtlaufzeit dazu tendieren, die zwei Jahre noch durchzuhalten. Auch gemäß der deutschen Tugend, was man anfängt, das bringt man auch zu Ende. Sonst fühlt man sich irgendwie unwohl.

Die Realinflation ruiniert jeden Geldwert, auch innerhalb von zwei Jahren

Aber der Taschenrechner hat kein Gefühl. Und brüchige Lieferketten, die uns eine deftige Teuerung bescheren, haben auch keinerlei Emotionen; und die Europäische Zentralbank, die unser Geldsystem flutet, schon gar nicht. Allen ist wurscht, wenn wir vor einer bestimmten Prozentzahl ein dickes Minus setzen müssen. Dieses Minus heißt Inflation. Und die dürfen wir für Luisa beherzt auf 10% für die nächsten 2 Jahre taxieren. Und wenn die offizielle Inflation runtergehen sollte auf 7 oder 6%, dann ist die von Luisa noch immer über 10%, und warum? Weil sie gern und viel auf Reisen ist, beruflich wie privat.

Denn: Wer heute viel reist, der bezahlt überdurchschnittlich steigende Preise, was den Durchschnitt des persönlichen Warenkorbs verteuert. Ob nur zwei Urlaube in den Süden Europas oder berufliche Reisen nach Übersee selbst zu zahlen sind, das ist ein gehöriger Unterschied, in dem Fall für die Realinflation von Luisa.

Was bedeuten aber rund 10% in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, wenn Luisa 2024 100.000 Euro erwartet? Natürlich wird sie 2024 100.000 Euro überwiesen bekommen. Aber sie wird spüren wie noch nie zuvor in ihrem dann 62-jährigen Leben, dass sie für dieses Geld weit weniger kaufen kann als noch zwei Jahre zuvor! Weil diese 100.000 Euro nur noch eine Kaufkraft haben von 81.000 Euro.

Was tun mit einer bald auslaufenden Lebensversicherung? Die besten Tipps:

Nun sollte die Entscheidung nicht mehr schwerfallen, zumindest aus Wohlstandsbildner-Sicht: Lieber sofort die 84.000 Euro Rückkaufswert mitnehmen, und dieses Geld überführen in einen inflationssicheren Wert. Aber bitte bloß keine Immobilie kaufen, denn in der ist die Inflation schließlich auch eingepreist. Mein Ansatz wäre: Lieber möglichst früh in eine gesellschaftlich unverzichtbare Wertschöpfungskette investieren, deren Erträge jederzeit an die Inflation angepasst werden können. Handelt es sich dabei etwa um einen Club Deal, dann wäre bei normalem Verlauf das Geld nach drei Jahren wieder zurück mit rund 30-40% Rendite obendrauf – und in drei Jahren ist die Welt auch für Luisa hoffentlich wieder planbarer im Gegensatz zu heute mit Krieg, haarsträubender Energieunsicherheit, noch immer brüchigen Lieferketten und einer herumeiernden Ampel-Koalition.

Und die 12.000 Euro, die Luisa ab sofort nicht mehr dem Geldwert Lebensversicherung hinterherwirft, die kann sie ebenso überführen, z. B. in eine ratierliche Sachwert-Investition, wie sie die Anlageklasse Infrastruktur bietet, meine Säule 1; 2022 ist das zumindest noch möglich. Damit könnte sie sich nochmal bis zum 65. Lebensjahr 30.000-40.000 Euro aufbauen, inflationsbereinigt natürlich.

Nicht selbst kündigen – eine Lebensversicherung muss ein Experte liquidieren!

Und zu guter Letzt: Die 84.000 Euro, die von der Versicherung als heutiger Rückkaufswert in Aussicht gestellt werden, sind auch nicht in Stein gemeißelt. Aber das ist nicht meine Expertise; dafür habe ich langjährige Kenner von Lebensversicherungen, die oft mehr herausholen können, als die Versicherungen zu zahlen bereit sind – mehr herausholen mit Paragrafen und Mechanismen, die mir selbst nicht genau klar sind, und wenn es nur ein paar tausend Euro sind. Dann sollte man immer unverbindlich prüfen lassen.

Vorher sollte Luisa auf keinen Fall selbst kündigen oder auf solche Rattenfänger hineinfallen, die mit Factoring-Konstruktionen kommen: Dort bekommt sie etwa 70% vom offiziellen Rückkaufswert sofort und die restlichen 30% werden ihr irgendwann später versprochen mit einem deftigen Zugewinn, weshalb sich das Warten lohnen würde.
Tja, und dann kommen diese 30% nie oder, wenn sie seltenerweise kommen, sind diese 30% kaum mehr noch was wert, denn 30% sind schließlich ein Geldwert-Versprechen und keine Sachwert-Tatsache.

Wie auch immer Luisa sich entscheidet: Ein Verbleib in der Lebensversicherung ist meiner Meinung nach weniger sinnvoll als je zuvor. Das sagte übrigens die Versicherung, mit der Luisa zu tun hat, sogar selbst. 2015 hat sie nämlich beschlossen, das aktive Neugeschäft mit Lebensversicherungen einzustellen und rät in Beratungen sogar davon ab, eine LV abzuschließen. Siehe dazu der Artikel der FAZ in den Shownotes.

Trotzdem, auch in der heutigen Zeit führen mit etwas finanzieller Bildung viele Wege hin zu einem Leben in Fülle – aber eine Lebensversicherung gehört eindeutig nicht dazu.

Euer Andreas

 

Shownotes

Artikel „Allianz rät von klassischer Lebensversicherung ab

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