#30 „Immer die 4%, die einen besser oder fertig machen.“

Die Wohlstandsbildner-Podcast-Reihe „Über Hamsterräder, Finanz-Exorzisten und was wir sonst noch alles ertragen müssen“ – Kapitel 11: Immer die 4%, die einen besser oder fertig machen.

Wer die Podcast-Überschrift nun zum 11. Mal langsam nicht mehr hören kann – mir geht‘s genauso. Doch zu Beginn konnte ich nicht ahnen, wie sehr diese Reihe ein Thema um das andere aufnimmt und geradezu herausfordert, fast wie im Il-filo-Prinzip Mozarts, über das ich an anderer Stelle schon berichtet habe. Aber die Überschrift bleibt nervend gleich; um den Wiederholungseffekt wenigstens ein bisschen geschmeidiger zu machen, intoniere ich das Intro mit nicht nachlassender Begeisterung und hoffentlich hörbarem Variantenreichtum.

Was ein jeder ertragen lernen muss, wenn er seinen eigenen Weg findet, wenn er sich jeden Tag ein wenig neu erfindet und mutig seinen Zielen entgegengeht und an seinen Meilensteinen vorüberschreitet: Er muss ertragen, dass es immer jemanden geben wird, dem er es nicht recht machen kann.

Der Grund dafür ist in einem Universum der Kontraste, der Polarität und der Relativität einfach zu benennen: Es gibt Menschen, die mögen Veränderungen, denn sonst wird ihnen fad. Und es gibt Menschen, die meiden Veränderungen, sonst bekommen sie Angst. Und einer von beiden ist immer unzufrieden mit dem anderen.

Angst vor Veränderung und Unzufriedenheit

Die Ängstlichen unter uns haben es gerne, wenn Menschen und Umstände möglichst bleiben, wie sie sind, nämlich berechenbar. So ein bisschen graduelle Veränderung ist schon o. k., aber nur so viel, wie es ängstliche und daher nicht sonderlich flexible Gehirne verkraften: Etwa, wenn jemand fünf Jahre lang jeden Samstag um 8:30 Uhr beim Bäcker anzutreffen war beim Kauf von zwei Brezeln und zwei Croissant, aber dann irgendwann sein Teigwarenspektrum in einem Anflug von Wagemut verändert und erweitert hat auf eine Brezel, eine Laugenstange, ein Croissant und zwei Mohnbrötchen. So viel Veränderung ist gerade noch o. k., und tatsächlich werden diese auch kleinsten Veränderungen, zumindest in Dorfgemeinschaften, wahrgenommen und minutiös abgespeichert – bei den wirklich wichtigen Dingen ist das Gehirn halt dann doch flexibel.

 

Doch wenn der treue Bäckereigänger plötzlich gar nicht mehr auftaucht und sich neugierige Nachbarn hinter einer Maske der Besorgnis erkundigen, ob denn irgendetwas passiert sei, denn man habe bemerkt, dass Herr Häberle ja gar nicht mehr am Samstag Morgen zum Bäcker kommt! Und die Lösung des die Grundfeste aller Gewohnheiten erschütternden Rätsels lautet: Der Herr Häberle hat so etwas Komisches entdeckt, das andere intermittierendes Fasten nennen. Dabei streichen die Leute mit dem bewährten, schwäbischen Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages so einfach weg; das alles ist nun wirklich ein bissle zu viel von dem neumodischen Gesundheitszeugs und es ist schon bedenklich, wenn über Jahre gepflegt-ausgetretene Pfade so einfach verlassen werden, denn in dieser irren Welt muss es doch Dinge geben, auf die man sich verlassen können muss, und der Herr Häberle ist ab jetzt ein Ding, das nicht mehr dazugehört – und deshalb auch nicht mehr zu uns gehört. Sodele, des musste jetzt au‘ mal gsagt werden.

Ich kann mit solchen Dramen, die sich samstags um 8:30 Uhr vor vielen Bäckereien abspielen, nicht dienen. Ich gehe nämlich so gut wie nie zum Bäcker, denn ich halte Brot für eine praktische, aber nicht sonderlich gesunde Erfindung, und wenn schon, dann besorge ich mir ein knusperfrisches Altamura-Holzofenbrot. Doch das gibt es 1. in keiner schwäbischen Bäckerei – auf so eine Veränderung warten Schwaben noch mindestens 75 Jahre – und 2. ist der Genuss von solch einem Brot keine Ernährung, sondern eine Degustation für besondere Tage.

Leute, die es jedem recht machen wollen, tragen vielleicht eine Haltung mit sich herum, die lauten könnte: „Wenn nach meinem Vortrag vor 100 Leuten 95 begeistert von mir sind, aber 5 nicht, dann ärgern mich diese 5 Unzufriedenen maßlos und die Freude der restlichen 95 – nun ja, nice to have.“ Jawoll, das ist eine Art Urkränkung, und zwar vor allem sich selbst gegenüber. Schließlich war man nicht gut genug, wenn nicht 100 % des Auditoriums begeistert sind, dann stimmt doch irgendwas mit einem nicht.

Referenten mit dieser Haltung gibt es viele, und viele davon sind höchst erfolgreich und schon Jahrzehnte im Geschäft. Ich war auch einer von ihnen, und in schwachen Momenten, nach besonders kräfteraubenden Einsätzen etwa, schlägt diese Selbstgeißelung immer mal wieder zu, und es dräut der Gedanke am geistigen Himmel: „Wenn 4 % unzufrieden sind, habe ich zu 96 % versagt.“ Völlig unlogisch, aber was bitte hat Menschsein jemals mit Logik zu tun gehabt.

Die Jagd nach Zustimmung und Zufriedenheit

Um so langsam zu rechtfertigen, dass auch diese Podcast-Folge etwas mit Wohlstandsbildung zu tun hat, will ich ein Beispiel geben aus den Anfängen des Finanzseminars auf der Jagd nach der 100 %- Zufriedenheitsquote, die, es sei gleich verraten, natürlich krachend scheiterte:

In den ersten Seminaren, damals noch zwei Tage lang, habe ich komplett auf die Darstellung von konkreten Investitionen verzichtet. Ich wollte, dass Investitionen nicht von der Strategie zum erfolgreichen Vermögensaufbau ablenken und zum Rezeptdenken animieren sollen, wie ich es nenne. Das Seminar ist ein Instrument zur Selbstermächtigung in der Finanzwelt und nicht Herausgeber von Rezepten, wie bei einem Arzt, dem die Ursache wurscht ist, Hauptsache, das Rezept verhindert erstmal das Symptom. Nein, mein Wunsch war damals wie heute, dass jeder durch Wissen, Strategie und Frequenz seine ganz eigenen Investments finden kann, die zu ihm passen.

Nun, diese Vorgehensweise kam bei allen Zuhörern gut an. Wirklich bei allen? Nein, denn da gab es die vier oder fünf aus dem Dorf der Widerständigen, die monierten, ich solle doch mal genauer werden, sonst bliebe alles im Nebel, und wie denn solche tollen Investitionen denn ganz konkret aussehen könnten.

Das hat mich gewurmt. Und es hat mich fragen lassen „Könnten sie Recht haben?“ Bei den nächsten Seminaren habe ich nach veritablem Spannungsaufbau in den letzten 30 Minuten über verschiedene Investments gesprochen, so richtig in Zahlen, Daten, Fakten, mit Exitszenario, alles höchst eindrückliche Projekte aus der Welt der Säulenstrategie – Projekte natürlich aus der Vergangenheit, denn nur bei denen kann ich ja zeigen, wie sie tatsächlich ausgegangen sind. Diese Seminare waren der Knaller, die Leute restlos begeistert. Wirklich restlos? Nein! Denn da gab es die vier oder fünf aus dem Dorf der Widerständigen, die monierten: „Andreas, diese Beispiele von irgendwann kann ja jeder zeigen. Aber sie sind vorbei und für uns uninteressant. Zeig doch mal Sachen aus der Gegenwart oder welche, die noch kommen, an denen man sich beteiligen kann. Das wäre doch mal motivierend!“

Das hat mich gewurmt. Und mich fragen lassen „Könnten sie Recht haben?“ Bei der nächsten Seminaren hätte man die Spannung am Ende mit einem Brotmesser schneiden können, und wenn es stumpf gewesen wäre, hätte es auch nichts ausgemacht. Ich war recht stolz auf meine salomonische Lösung des Problems und habe erfolgreich Investments aus der Vergangenheit gezeigt und ähnliche, mindestens so hoffnungsvolle, die noch verfügbar waren! Jetzt wurden tolle Instrumente für effektiven Vermögensaufbau greifbar.
Die Leute jubelten, waren völlig aus dem Häuschen. Wirklich völlig? Nein! Die vier oder fünf aus dem Dorf der wahrscheinlich immer Widerständigen sitzen in der Mitte des mit höchster Frequenz angefüllten Raumes und haben am Ende des Seminars mit einem Schlag die Luft rausgelassen – aus einem Seminar, das immerhin zwei ganze Tage dauerte und sich in den letzten 30 Minuten mit den Investitionen beschäftigten. Ihr könnt Euch auch vorstellen, was der Frequenztöter war, oder?
Das ging ganz einfach, nämlich mit dem Spruch: „Na, das war jetzt aber eine Verkaufsveranstaltung…“

Ja, ich habe Gelegenheiten gezeigt, in denen ich selbst investiert war und die noch offen waren für andere Investoren. Es war also allen zumindest wieder nicht recht zu machen, und das, verehrte Podcasthörer an den digitalen Transistoren, das war für mich ein Wendepunkt, ein höchst heilsamer. Ich habe nämlich verstanden: In einer Welt der Kontraste gehört eben dazu, dass man es nicht jedem Recht machen kann, und es hat mir auch gedämmert, dass so manche Kritik nichts mit mir zu tun haben muss. Denn ich habe im Nachhinein erfahren, dass die Motzer mit dem Spruch der Verkaufsveranstaltung besonderen Berufen nachgingen: Eine war Bankerin, einer war Versicherungskaufmann und einer war stinksauer, dass ich an den zwei Tagen nicht ausschließlich über die Börse gesprochen habe. Das hat mich recht schnell versöhnt mit ihrer Kritik, denn hätten sie sie nicht geäußert, hätte ich tatsächlich an den Inhalten des Seminars zweifeln müssen.

Seitdem ist einige Zeit vergangen und viele Finanzseminare wurden absolviert. Ich habe richtig Freude daran gefunden, mit immer neuen Inhalten zu spielen, Wirkungen zu testen, Reaktionen herauszufordern – was man sich als Referent halt zutraut, wenn man es in erster Linie nur einem recht machen muss: nämlich sich selbst. Ich bin mir selbst ohnehin der unzufriedenste Seminarteilnehmer meiner eigenen Seminare, ich kann es mir am wenigsten recht machen. Ehrlich gestanden: Ich fürchte mich selbst ein wenig vor mir, wenn der Kritikaster spricht und immer die größte Kontrastkeule auspacken muss.

Das Gute dabei ist: Wenn eh immer einer drinnen sitzt, der unzufrieden ist, dann ist es wie ein Freifahrtschein, um neue Dinge auszuprobieren. Denn dass Neues auch mal zu lang, an der falschen Stelle, ablenkend, nicht auf den Punkt gebracht und unpassend sein kann, das ist normal und Teil des Ausleseprozesses, den man auch Qualität nennt oder den Weg zur Essenz der Essenz. Seitdem bin ich noch immer unzufrieden, und wirklich gut wird es für mich wahrscheinlich nie sein.

Aber, und das ist der Unterschied zwischen kreativer Unzufriedenheit und katastrophaler Unzufriedenheit: Erstere macht glücklich und ist Ansporn, die Dinge immer weiterzuentwickeln. Ohne diese Art künstlerischer chronischer Unzufriedenheit sonnt man sich zu lange im Erreichten und verpasst die Erfolgserlebnisse von morgen. Oder nochmals anders gesagt: Unzufriedenheit hilft mir auf dem Teppich zu bleiben und mein Gefäß für Ideen und Inhalte immer wieder auszuschütten, zu leeren, denn Leere ist nun mal die wichtigste Voraussetzung für? Fülle.

Seminar: Gelegenheit macht Investoren

Dankbarkeit für Veränderung

Und Fülle, ob nun finanzieller, künstlerischer, spiritueller oder sonst irgendeiner Art ist auch gleichbedeutend mit einem ständigen Weckruf zur Veränderung. Fülle läuft immer über, macht Platz für Neues, ohne weniger zu werden, verändert stetig seine Form und verändert stetig unseren emotionalen Bezug zu ihr.

Deshalb bin ich froh, dass ich nun mal zu den Kreisgangverweigern gehöre, denen fad wird, wenn sich nichts verändert. Ohne Veränderung keine Anpassung, ohne Anpassung keine Evolution, ohne Evolution kein Leben. Genau das ist einer meiner höchsten Werte: Lebendigkeit, die sich mit Leichtigkeit ausdrückt – egal, wie sich das dann äußert: In einem lebendigen Portfolio, in einem lebendigen, kontrastreichen Seminar, in einer lebendigen Partnerschaft, in einem lebendigen Leben! Und dazu passt Samstag Morgen um 8:30 Uhr an einer schwäbischen Bäckerei anstehen einfach nicht. Intermittierendes Fasten ist eh gesünder.

Irgendwie habe ich das Gefühl, in dieser Podcast-Reihe so langsam mal zu den Finanz-Exorzisten kommen zu müssen. Aber was interessiert mich mein Gefühl von heute, wenn es morgen schon wieder ein ganz anderes sein kann? Dann kann ich mich gleich für ein anderes entscheiden, und dieses Gefühl hat zu tun mit einem Thema, das an immer mehr Ecken und Enden aufploppt und mich berührt: Finanzielle Bildung für Frauen! Mit solchen Fragen wie „Sind Frauen lieber unter sich, wenn sie über Finanzen reden? Sind sie die besseren Investoren mit einem geduldigeren Investorenprofil? Sind Finanzseminare von Frauen nur für Frauen wichtig?“

Schon klar, als Mann kann ich bei einigen dieser Dinge nicht mitreden. Aber als Investor, der eine dreistellige, also größere Zahl an Investorinnen schon seit langer Zeit begleiten darf, als solcher muss ich mal darüber nachdenken, was mir dazu einfällt. Und wenn da dann immer noch Leere sein sollte, die der Fülle partout keinen Platz machen will, dann macht das nix! Dann dürfen endlich die Finanz-Exorzisten die Bühne betreten.

Salut!

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